LeMO - Kritische Anmerkungen zu einem "virtuellen Museum"

LeMO - Kritische Anmerkungen zu einem "virtuellen Museum"

Veranstalter
Deutsches Historisches Museum, Berlin und Haus der Geschichte, Bonn (12344;12309)
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12344;12309
Ort
Web
Land
Deutschland
Sebastian Hebler; hebler@mandeville.de

Seit Januar 1999 kann das LeMO [http://www.dhm.de/lemo], das "Lebendige virtuelle Museum Online", im Internet besucht werden. Das Großprojekt mit einem Gesamtetat von 3 Millionen DM, getragen von den zwei großen Geschichtsmuseen des Bundes, dem Deutschen Historischen Museum in Berlin und dem Haus der Geschichte in Bonn, sowie gefördert vom Deutschen Forschungsnetz (DFN), der Telekom-Tochter Berkom und dem Bundesbildungsministerium versucht eine umfassende museal anmutende Darstellung der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts in einer sogenannten Internet-Ausstellung. Mehr als 5.000 multimediale Web-Pages wurden erzeugt, 2.000 Exponate digitalisiert, 400 Audio- und Videodokumente bereitgestellt, 800 Biographien und 100 Jahreschroniken verfasst. Kernstück des Modellprojekts bilden jedoch 13 dreidimensionale VRML-Welten, die der Besucher durchschweben und sich auf einem Rundgang durch ein imaginäres Museum zur deutschen Geschichte der letzten 100 Jahre nähern kann. Das LeMO ist mittlerweile angeschwollen auf ein Datenmeer aus insgesamt 1,7 Gigabyte. 15.000 m² Ausstellungsfläche bräuchte man wohl, wollte man alle in LeMO ausgestellten Exponate präsentieren. Nach Angaben der Betreiber erzeugen 35.000 Besucher monatlich mehr als 1,2 Million Seitenzugriffe. Die eindrucksvolle Statistik dieses Vorhabens muten wie die erfolgreiche Bilanz eines großen Unternehmens an. Wie immer, wenn eines der beiden grossen Geschichtsmuseen etwas in die Hand nimmt.

Andererseits wird von Seiten der LeMO-Macher gerne darauf hingewiesen, dass es sich bei diesem Projekt um ein Experiment gehandelt habe, selbstkritisch einräumend, dass man vielleicht nicht mit allem zufrieden ist und einiges doch anders lief, als man es sich vielleicht anfangs gedacht hatte. Das schöne an Experimenten ist ja, dass etwas schief gehen kann - und dann niemand wirklich Kritik üben darf. Deshalb vorab: Hochachtung für eine große Kraftanstrengung sowie für die emsige und ausdauernde Arbeit, vielen Dank für die Bereitstellung eines durchaus beeindruckenden Datenpools aus Text-, Bild-, Ton- und Videodokumenten.

Doch bei aller Euphorie, die um das LeMO erzeugt wird, müssen einige kritische Anmerkungen erlaubt sein. Der Untertitel des LeMO - eine "Internet-Ausstellung" - weckt die Hoffnung, das jeder, der nur über einen mehr oder minder schnellen Internetzugang verfügt, auch einen Ausflug in das grosse Online-Museum zur deutschen Geschichte machen kann. Doch weit gefehlt: die aufwendigen 3-D-Welten sind nichts für einfache Rechner und langsame Modem- oder ISDN-Verbindungen. Das ganze Projekt wird erst über Computer in breitbandigen Netzen wirklich nutzbar. Wer von seinem heimischen PC aus einen Besuch starten möchte, wartet, nachdem er sich womöglich zuvor noch extra das nötige VRML-Plug-in herunterladen musste, zunächst einmal Minuten, bis sich die ersten ruckenden Bilder aufbauen. Zäh gestaltet sich das Steuern um die erste Ecke des ersten Raumes der Kaiserzeit, der in seiner Gestaltung eher an die Ästhetik eines Vorstadt-Möbelhauses denn an ein Museum erinnert. Klickt der Besucher eines der Objekte an, werden ihm auf langen recht textdominierten HTML-Pages vertiefende Informationen angeboten. Der "virtuelle" Besucher könnte schon dann seine Visite entnervt abbrechen. Will er sich das Ganze dann doch einmal näher anschauen, bleibt nur der Gang zu einer LeMO-Präsentation oder an einen PC-Terminal im Foyer des realen Museums. Bis dahin hat er aber schon etliche, für ihn jedoch sinnlose PageImpressions erzeugt.

Es ist bedauerlich, dass die virtuellen Welten des LeMO, die den Kern und das Aushängeschild des Projektes bilden, nicht Teil des Massenmediums Internet sind, sondern ein elitäres Vergnügen für die Wenigen bleibt, die über einen breitbandigen Anschluss verfügen. Zugute halten muss man den Machern, dass Realitätstauglichkeit nie der Anspruch des Projekts war. Seltsam nur, dass man ein Museum baut, in das eigentlich niemand reinschauen kann. Das erinnert doch sehr an das Rathaus der Bürger von Schilda, aus dem ja bekanntlich niemand herausgucken konnte.

Vorwerfen kann man das den LeMOs nicht. Sie hatten ja, wie gesagt, nie den Anspruch, ein besucherorientiertes Museum, eine jedem zugängliche zeit- und mediengerechte Informationsumgebung, zu gestalten. Antrieb der Arbeit war vielmehr, für das Hochgeschwindigkeitsnetz des DFN Inhalte zu generieren und den Informatikern des Fraunhofer Instituts auf diese Weise eine VRML-Spielwiese zum Test von 3-D-Welten zu bieten. Ein repräsentatives Vorzeigeprojekt, das etwas hermacht und sich gut vorzeigen lässt, wenn das LeMO als ein Modell für E-Commerce-Environments verstanden werden soll, die man schließlich verkaufen möchte. Ein durchaus legitimes Vorhaben. Bedenkenswert ist in diesem Fall jedoch die Degradierung des Museums als Vorstufe für Kaufhausanwendungen. Fragen darf man dann aber danach, ob die Grundentscheidung für diesen Weg der Umsetzung eines "virtuellen Museums" wirklich gut überlegt war. Fragen sollte man auch dürfen, ob das Projekt wegweisend für die Auseinandersetzung des Museums mit dem Internet war. Wurde ein Markstein gesetzt? Sind Impulse zu erwarten? Oder stellt das LeMO ein Beispiel dafür dar, wie man es wohl besser nicht machen sollte - eine Sackgasse?

Alle in LeMO gespeicherten Text-, Bild-, Audio- und Videodaten können neben dem Weg über die VRML-Welten auch in einer HTML-Version erschlossen werden. Ein alternativer Zugang zu den Informationen, den jedermann auch mit einer durchschnittlichen Netzanbindung zumutbar browsen kann. Ein akzeptabler Kompromiss mit dem Stand der gegenwärtigen Technik. Unbestritten und beeindruckend ist die überwältigende Fülle des zusammengetragenen Materials. Unzweifelhaft auch die hohe fachliche Kompetenz der Autoren. Diskutabel wie immer die Inhalte. Legitim und nachvollziehbar das Bestreben, in dem manchmal so anarchischen Raum des Internets als eine gesellschaftlich anerkannte Institution in Sachen Geschichte Flagge zu zeigen, wissenschaftliche Autorität für sich zu reklamieren und Stellung zu beziehen: dem Informationssuchenden auf diese Weise Orientierung zu geben, sich bewusst und mit aller Macht im Internet von der bunten Vielzahl der selbsternannten Geschichtserklärer, den Kleingeistern von ganz Rechts- und Linksaußen, den naiven Hobby-Historikern mit ihren Fan-Pages, den Sammlern und esoterischen Weltdeutern abzusetzen. Kritisiert werden muss jedoch die Machart dieser breiten HTML-Dokumentation: der wenig einfallsreiche Umgang mit den Möglichkeiten, die das Medium Internet als Kommunikations- und Informationsmedium heute schon besitzt und in vielen Beispielen tagtäglich beweist.

Eine Schlüsselfunktion in der Gestaltung großer Wissenslandschaften im Internet fällt dabei der Informationsarchitektur zu, den Fragen nach der besucherorientierten Aufbereitung von Informationen unter Usability-Gesichtspunkten. In LeMO haben diese Fragen offensichtlich nur am Rande eine Rolle gespielt. So jedenfalls wirkt die Website. Schade, ist eine gelungene Informationsarchitektur doch der entscheidende Erfolgsfaktor großer Info-Sites, in dem der browsende, die Inhalte scannende Besucher noch schwieriger zu halten ist als der durch das Museum Spazierende.

Die radikale Einbeziehung der Wahrnehmungs- und Lesegewohnheiten der Besucher ist das entscheidende Kriterium bei der Planung von Websites: sinnmachende Navigationsstrukturen und durchdachte Benutzerführung, die aufeinander abgestimmte Organisation von Text, Struktur und Design. Das muss nicht zwangsläufig heißen, die Verhaltensweisen des Nutzers zu bedienen. Darüber nachdenken und sich damit auseinander zu setzen, gegebenenfalls damit zu spielen, genau das wäre ein lohnenswertes Experiment im Online-Museumsbereich gewesen. Es verwundert allemal, das gerade Museumsfachleute, die in den letzten Jahren "audience-driven museums" konzipierten, das nicht zuwege bringen, müssten sie doch eigentlich auch gute Informationsarchitekten sein. Durch die Berücksichtigung einfacher Grundregeln für das Design hypermedialer Strukturen hätten sich große Effekte erzielen lassen, die den vielen Besuchern, die ja offensichtlich vorbeischauen, auch einen hohen Gewinn verschafft hätten. Stattdessen gehen sie unter im "Meer der Zeit".

Die Kritikpunkte im Einzelnen: Nützliche und hilfreiche Navigationswerkzeuge, gar eigens zur Orientierung des Nutzers gedachte, stets präsente Hilfe-Funktionen sind Mangelware oder werden gut versteckt. Eine Sitemap etwa, die dem Besucher seinen jeweiligen Standpunkt im Museum oder auf einer Zeitleiste markiert und ihm über eine visuell gestaltete Oberfläche, eine Art Landkarte, einen direkten Einstieg in die verschiedenen Räume des Museum anbietet, fehlt im LeMO ganz. Eine übersichtlich gestaltete Suchfunktion für den gezielt nach Informationen Suchenden ist immerhin vorhanden. Sie sollte nur von jeder Seite des Systems auch aufrufbar sein. Informationen darüber, welche technische Ausstattung notwendig ist, um die VRML-Welten zu erschließen, werden nicht direkt auf der Homepage platziert, sondern verbergen sich - warum auch immer - in der Rubrik "Das Projekt".

Die Navigation innerhalb des LeMO-Hyperspaces ist ebenfalls verwirrend und leider nicht intuitiv erfassbar. Das sich auf allen Seiten befindliche Hauptmenü beispielsweise, über das der Besucher schnell zur Homepage, der jeweiligen Epochen-Subhomepage und den chronologisch benachbarten Rubriken gelangen kann, ist am Fußende der Seite angesiedelt. Bei umfangreichen Seiten ist dieses wichtige Navigationswerkzeug nicht sichtbar. Außerdem sind die Schaltflächen des Hauptmenüs nicht gleich als "Buttons" - Knöpfe, die man drücken kann - zu erkennen. Kleine Pfeile (vor/zurück/top) würden hier gute Dienste tun. Auch der schwarz-rot-goldene Kubus im Hauptmenü, der gleichzeitig Link zur Homepage ist, erklärt sich nicht von selbst.

Die Orientierung des Besucher könnte darüber hinaus durch ein klarer erkennbares Farbleitsystem und den stärkeren Einsatz verständlicher Piktogramme wesentlich gefördert werden. Ansätze dazu finden sich in der Kennzeichnung der unterschiedlichen Quellen am Ende eines jeden Artikels. Die Markierung der gegenwärtigen Position des Besuchers im Hyperspace (z.B. in einer Zeitleiste) beugt dem Lost-in-Hyperspace-Gefühl, der Gefahr des Ertrinkens im Informationsmeer, vor. Eine eindeutige Positionsbestimmung ist gerade bei der verwirrenden Vielzahl von Links wichtig, von denen es im Text nur so wimmelt und von denen man den Eindruck hat, dass sie reichlich gesetzt wurden, um ja den Anschein von Hypertextualität zu wahren. Nebenbei: Nicht jeder gesetzte Link macht Sinn.

Leicht übersehen werden auch die an einem vertikalen Balken befestigten Verweise zu den für jedes Jahr vorhandenen Jahreschroniken. Der vertikale Balken ist der einzige visuelle Rubriken-Marker neben den Überschriften, die einmal mit Linkfunktionen ausgestattet, ein andermal nicht. Als Rubriken-Marker ist diese unscheinbare Linie jedoch zu blass. Und warum werden eigentlich Texte und Abbildungen durch diese Linie so klar voneinander separiert? Besteht der Vorteil von Hypermedia nicht gerade darin, beides zusammenzuführen und miteinander zu verknüpfen?

Außerdem: Die Texte sind viel zu lang. "Write no more than 50 percent of the text you would have used to cover the same material in a print publication ... Keep your texts short" (Jakob Nielsen [www.useit.com], Designing Web Usability, 2000, S. 101), ist eine weitverbreitete Regel für das Schreiben im Netz: Texte segmentieren nach dem Hypertext-Prinzip, sie in sich klar strukturieren, auf erzählende und bildhafte Sprache verzichten; Jeder Absatz sollte aus sich selbst heraus verstanden werden können, ohne das Lesen von anderen Seiten zwingend vorauszusetzen. Lesen am Bildschirm und Lesen im Hypertext funktioniert halt anders als das Lesen von Papier. Das Schreiben von Hypertexten ist also auch etwas anderes als das Schreiben eines Geschichtsbuchs. Das Wahrnehmungsverhalten der Besucher zu berücksichtigen, etwas, was für Gestaltung von realen Ausstellungen gilt, sollte bei der Umsetzung von Internet-Ausstellungen nicht vergessen werden. "Schreiben, um besucht zu werden" [http://www.ids-mannheim.de/grammis/storrer/publik.html] heißt ein Beitrag von Angelika Storrer mit Blick auf das Internet, der eben das thematisiert. Das LeMO erweist sich leider als ein Lesemuseum zum Ausdrucken.

Die wenig reflektierte Informationsarchitektur, die das LeMO kennzeichnet, scheint den Umgang des Projekts mit dem Medium Internet deutlich zu machen. Die Informatiker waren in ihren VRML-Welten drei technische Schritte voraus, die Historiker, dem Buch verhaftet, hinkten hinterher. Die gute interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Informatikern und Historikern ist sicher lobenswert. Die vermittelnde Schnittstelle dazwischen, die Jobs des Informationsgestalters- und managers und des Kommunikationsdesigners, die beide Bereiche im Auge behalten und nach der Wirkung der Informationen auf die Besucher fragen, blieben wohl unbesetzt.

Das LeMO ist zudem ein sichtbarer Ausdruck der unübersehbaren Zentralisierungsbewegungen im Netz, ein starrer Klotz im wuseligen produktiven Chaos des eigentlich dezentralen und nicht auszurechnenden Cyberspace, ein mächtiges Statement der offiziellen Historiographie, Zeichen einer Eroberermentalität: Man besetzt Felder, damit dies andere nicht tun können. Wie schon gesagt, eine legitime Strategie.

Doch leider verschließt sich das Projekt damit den stark ausgeprägten dialogischen Strukturen und Kommunikationsformen, die das Internet doch vor allem prägen. Gut, ein Gästebuch gibt's und auch ein WebCam, aber sind das nicht nur scheinbare interaktive Kommunikationsangebote? Ansätze der wirklich mutigen und offenen Auseinandersetzung fehlen.

Die Idee des "kollektiven Gedächtnisses" scheint da als ein positiver Ansatz herauszufallen. Gesammelt und präsentiert werden Erfahrungsberichte von Zeitzeugen, die den einzelnen Räumen und Zeitabschnitten des LeMO zugeordnet und angehangen werden. Sie bereichern die Texte der Historiker und relativieren sie manchmal auch. Im "Kollektiven Gedächtnis" liegen die wirklich interessanten Entwicklungsmöglichkeiten des LeMO, hier könnte das virtuelle Museum dann doch noch lebendig werden, wie es im Titel ja versprochen wird. Aber bisher setzen sich die Erfahrungsberichte größtenteils aus Tagebucheinträgen aus den Archiven und aus Zeitzeugeninterviews, gesammelt von ausgewählten Schülerklassen, zusammen. Recht ausführlich sind die Berichte. Eigene Beiträge können zwar hinzugefügt werden, sie müssen jedoch an eine Redaktion geschickt werden. Zwei Hürden, die mehr abschrecken als dazu einladen, selbst, in wenigen Minuten vielleicht und direkt nach dem Besuch im Museum, einen Beitrag zu verfassen.

An Wert, Bedeutung und Vitalität gewinnen würde das kollektive Gedächtnis, gestaltete man es wie eines der vielen offenen Diskussionsforen, die das Netz lebendig machen: Mittels eines Formulars wird der Besucher aufgefordert in wenigen Sätzen seine Erfahrungsberichte, seine Meinung, seine Interpretation zu einem zuvor von einer Redaktion gesetzten Diskussionsthemen zu äußern. Etwa: "Wie erlebten Sie die deutsche Wiedervereinigung?" Historiker und Personen des öffentlichen Lebens könnten den Diskussionen zusätzlich Impulse geben. Durch ihre fachlich fundierten Statements oder ebenfalls persönlichen Berichte würden sie immer wieder neue Stränge des Diskurses eröffnen oder aus dem Ruder laufenden Diskussionen wieder eine Richtung geben. Diskussionen und Foren müssten zudem an vielen Orten des Museums anknüpfen können und sollten nicht länger in den separaten Raum des Forums, das nur über das Foyer zu erreichen ist, verbannt werden. In der Offenheit und der Dialogizität liegt doch gerade eine der Chancen und Stärken des Internets. Auf die Dauer entstünde ein facettenreiches Mosaik, bestehend aus vielen kleinen persönlichen Erfahrungsgeschichten, verknüpft mit den unterschiedlichsten Lesarten der Geschichte: ein lebendiges Museum eben.

Selbstverständlich dürften Beiträge, die die allgemeine Netiquette, den guten Geschmack oder den politischen Rahmen missachten, gelöscht werden. Ein Beispiel, dass auch konservative Organisationen einer vitalen Forumskultur einen Raum verschaffen, stellt die CDU-Homepage [www.cdu.de] dar: jeder ins Forum gestellte Beitrag wird sofort gepostet, anschließend von einer Redaktion gelesen und erst dann, wenn es geboten erscheint, zensiert.

Nicht zuletzt lässt das LeMO museumsdidaktische Ansätze vermissen. Man gewinnt den Eindruck, dass die Eltern des Kindes, als es dann geboren war, sich verwundert fragten: Und was machen wir jetzt damit? Schnell wurden in einer Phase LeMO und ein paar Schulen, sieben an der Zahl, zusammengesucht. Als Gegenleistung für die breitbandige Verkabelung der Schule haben sie nun den Beweis der didaktischen Verwendbarkeit des LeMO zu erbringen.

Ein Manko von LeMO ist es jedoch, dass es von Anfang an nicht als Lernumgebung konzipiert wurde. Lernen ist bekanntlich ein Prozess. Das Bereitstellen von Informationen, und mehr liefert LeMO eben nicht, ist nur der erste Schritt der Wissenskonstitution. Erst im Dialog und der Auseinandersetzung mit den Objekten und den dargestellten Geschichtsbildern entsteht Wissen und neues Geschichtsbewusstsein. Wieder einmal wurde die Stärke des Internet, seine Dialogizität, nicht genutzt. Wo wird der Besucher involviert, wo zur Auseinandersetzung mit dem Material aufgefordert? Ermutigungen und die Aufforderung zum schöpferischen Umgang mit Geschichte - Kommunikationsangebote! - fehlen. Hier hätte man reichlich experimentieren können. Wie man die Medien Museum und Internet geschickt miteinander verbinden kann, stellt die ArtSafari [artsafari.moma.org] des MoMA in New York dar, zugegeben kein Beispiel aus einem historischen Museum, aber ein Gutes dafür, wie man mit einfachen Ideen und zeitgemäßer Technik eine große Wirkung entfalten kann. Das Storyboard in Kürze: Kinder werden zum Betrachten von Bildern des Museums eingeladen und aufgefordert, sich ein Gemälde der Sammlung anzuschauen, über das Bild nachzudenken und in wenigen Sätzen eine Geschichte dazu zu schreiben. In kürzester Zeit wird das Kind zum Schauen, Nachdenken und Schreiben animiert. Die verfasste Geschichte wird automatisch abgespeichert. Die Kinder können diese dann immer wieder durch Eingabe ihres "Safari-Namens" aufrufen und zum Beispiel später einmal ihren Eltern und Freunden zeigen. So wird zuletzt noch der Dialog über Kunst gefördert. Ein kleines aber feines Web-Angebot, ein Beispiel wie man mit einfachen Mitteln die ganze Power des Internets nutzt.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass den Machern von LeMO ernsthaft der Wille, die Medien Museum und Internet modellhaft und wegweisend zusammen zu führen, offenbar gefehlt hat. LeMO ist in seiner Anlage starr und wenig lebendig. Der Benutzer wird viel zu eng geführt, die Erfahrung, eigene Lesarten, eigene Quer- und Längsschnitte durch die Geschichte auf Haupt- und Nebenwegen machen zu können, wird durch LeMO nicht geboten. Das Medium wird in diesem Fall als Mittel zur Distribution von Geschichtsbildern benutzt. Es fördert nicht den Dialog.

Klarstellung: Betreff: "Kritik" von Sebastian Hebler an LeMO
Ich möchte mich hier nur auf den Abschnitt beziehen, der mich persönlich betrifft!

ZITAT
Und was machen wir jetzt damit? Schnell wurden in einer Phase LeMO und ein paar Schulen, sieben an der Zahl, zusammengesucht. Als Gegenleistung für die breitbandige Verkabelung der Schule haben sie nun den Beweis der didaktischen Verwendbarkeit des LeMO zu erbringen.
ZITAT ENDE

Erklärung:
Das Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasium Bonn ist im November 1998 von der LeMO-Gruppe angesprochen worden. Ich habe als Fachmoderator "Schulen ans Netz" bei der Bezirksregierung Köln in Zusammenarbeit mit dem Studienseminar Bonn und dem Fachleiter P. Gerszke eine Veranstaltung zu LeMO im Januar 1999 organisiert, in der das Projekt vorgestellt und von 20 anwesenden Geschichtslehrern kontrovers diskutiert wurde.
Das Angebot, zu den LeMO-Versuchsschulen zu gehören, war an keinerlei Bedingungen geknüpft. Von "breitbandiger Verkabelung der Schule" kann übrigens keine Rede sein. Im konkreten Fall handelt es sich nur um die Überlassung eines Linux-Kommunikationsservers und Hilfestellung bei der Kanalbündelung.
Ein Zusammenhang zwischen Überlassung von Hardware und Nachweis der didaktischen Verwendbarkeit hat nie bestanden.

Bonn, den 1.7.2000, F. Josef Stauf
OStR am Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasium, Fachbereichsleiter Neue Medien Fachmoderator und lokaler Koordinator der e-nitiative.nrw Bonn <ema@ema.bn.nw.schule.de>

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